Im Fokus: nilo Psycholog:in Zacharia

Ein globales Team aus Top-Psycholog:innen bildet das Fundament der nilo.health Plattform, auf der jede:r Nutzer:in in Einzelgesprächen individuell und professionell betreut wird. In unserer neuen Reihe möchten wir dir unsere Psycholog:innen näher vorstellen. Diesmal erfährst du mehr über nilo Psycholog:in Zacharia, die Bedeutung von Frühinterventionen und welche Schritte für eine positive und empathische Unternehmenskultur notwendig sind. 

Hallo Zacharia, möchtest du dich kurz vorstellen?

Ich bin Zacharia (nicht-binär), indigen, und habe einen Master of Science in klinischer Psychologie. Meine Karriere habe ich als klinische:r Psycholog:in in meiner Heimatstadt in der Krim, Ukraine, begonnen. Dank nilo und dem Krisenzentrum für Menschen aus der LGBTQ* Community habe ich mit den unterschiedlichstn Fällen zu tun. Mein Schwerpunkt liegt jedoch auf LGBTQ*-Beratung, Beratung für Betroffene von gewalttätigen Beziehungen – egal welchen Geschlechts – und affirmativer Therapie für neurodivergente Menschen. 

Wo lebst du und welche Sprachen sprichst du? 

Ich wohne in Berlin und spreche Ukrainisch, Englisch, Deutsch und Russisch. 

Wie wirkt sich die Stigmatisierung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz auf Angestellte aus? 

Ich würde es als Domino-Effekt beschreiben. 

Angestellte trauen sich nicht, Unterstützung zu suchen oder offen über ihre mentale Gesundheit zu sprechen, weil sie Angst davor haben, verurteilt und stigmatisiert zu werden oder weil sie Angst vor Konsequenzen haben. 

→ Menschen, die nicht in der Lage sind, über ihre psychischen Belastungen zu sprechen, sind erhöhtem Stress ausgesetzt und fühlen sich oft isoliert, weil sie glauben, ihre Probleme verstecken zu müssen.

→ Unbehandelte psychische Belastungen können sich wiederum negativ auf die Produktivität, Konzentration und die allgemeine Leistung der Angestellten auswirken.

→ Durch die Stigmatisierung von mentalen Belastungen haben Betroffene mehr Fehltage oder fühlen sich dazu verpflichtet, zur Arbeit zu gehen, obwohl es ihnen schlecht geht und sie eigentlich keine Leistung bringen können.

→ Da Angestellte mit psychischer Belastung mitunter diskriminiert oder bei Beförderungen übergangen werden, hat die Stigmatisierung auch negative Auswirkungen auf die berufliche Weiterentwicklung von Betroffenen.

→ Stigmatisierung kann sich auch auf die Mitarbeiterbindung auswirken, da Betroffene möglicherweise nach einem Arbeitsumfeldsuchen, in denen ihr mentales Wohlbefinden einen höheren Stellenwert hat.

→ In einer ungesunden Arbeitskultur, in der offene Dialoge über mentale Gesundheit im Keim erstickt werden, kommt es oft zu Missverständnissen, einem verringerten Zusammengehörigkeitsgefühl im Team und schlechteren Beziehungen innerhalb der Belegschaft. 

Wie lässt sich mentale Gesundheit am Arbeitsplatz entstigmatisieren? 

Nur, wenn wir uns mehr mit unseren mentalen Gesundheit auseinandersetzen und das Thema in der Arbeitswelt entstigmatisieren, können wir ein inklusives und unterstützendes Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich alle wertgeschätzt fühlen und wissen, dass sie bei Bedarf nach Hilfe fragen können.Meiner Meinung nach ist dafür Folgendes notwendig: 

  1. Es müssen Programme eingeführt werden, die dasBewusstsein für mentale Gesundheit stärken und Angestellteüber psychische Erkrankungen, Mythen und Irrtümer aufklären. Durch mehr Aufklärung können Vorurteile abgebaut und mehr Verständnis für Betroffene entwickelt werden.
  2. Führungskräfte und Manager:innen müssen darin geschult werden, erste Anzeichen psychischer Probleme zu erkennen und empathisch zu reagieren. Dadurch kann eine Unternehmenskultur entstehen, in der offen miteinander kommuniziert wird. Das funktioniert jedoch nur, wenn Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen und eigene Erfahrungen teilen, um die Hemmschwelle zu senken.
  3. Arbeitgeber:innen sollten mit Unternehmen oder Expert:innen für mentale Gesundheit wie zum Beispiel nilo zusammenarbeiten, die Zugang zu Ressourcen, Beratung und mentaler Unterstützung bieten.

All das trägt zu einer positiven und empathischen Arbeitskultur bei und fördert einen offenen Dialog, sodass Gespräche über psychische Belastungen immer selbstverständlicher werden.

Wie können Angestellte deiner Meinung nach von mentaler Unterstützung am Arbeitsplatz profitieren? 

Durch mentale Unterstützung können psychische Probleme schon frühzeitig erkannt und behandelt werden, sodass sie gar nicht erst eskalieren und Betroffene schnell wieder genesen können. Wenn mentale Unterstützung zu einem festen Bestandteil des Arbeitslebens wird, werden Gespräche über mentale Gesundheit zur „Normalität“, wodurch das Thema sein Stigma verliert.

Angestellten fällt es dann leichter, nach Hilfe zu fragen, weil sie wissen, dass ihr Wohlbefinden Priorität hat. Sie erwerben Coping-Kompetenzen und entwickeln Strategien für den Umgang mit Stress und Angstgefühlen, sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben. Das hilft ihnen dabei, resilienter zu werden und Herausforderungen besser zu bewältigen. 

Und wie können Unternehmen wiederum von mentaler Unterstützung für ihre Angestellten profitieren?

Sie ermöglicht eine gesündere, zufriedenere und motiviertere Belegschaft, fördert die Produktivität und Mitarbeiterbindung und wirkt sich positiv auf den allgemeinen Erfolg des Unternehmens aus. Außerdem kann sie dabei helfen, ein attraktives Arbeitsumfeld für Top-Talente zu schaffen, was dem Employer Branding des Unternehmens innerhalb der Branche zugutekommt.

Kannst du uns von einem Fall erzählen (natürlich anonym!), bei dem du deutlich sehen konntest, wie sich deine Arbeit positiv auf das Leben einer anderen Person ausgewirkt hat? 

Jede:r Patient:in ist anders. Deshalb ist auch die Betreuung für jede:n Patient:in individuell und wird durch die persönlichen Erfahrungen, Herausforderungen und Stärken beeinflusst. Dadurch ist auch für mich jede:r Patient:in eine völlig neue Erfahrung. Als beratende Person möchte ich meinen Patient:innen die bestmögliche Unterstützung für ihre jeweiligen Bedürfnisse bieten.

Mir ist es wichtig, bei jedem spezifischen Fall meine Grenzen zu kennen und zu verstehen, wo meine Verantwortung beginnt und wo sie endet.

Wenn es mir gelungen ist, einen Raum zu schaffen, in dem sich meine Patient:innen wohl fühlen, über sich selbst zu sprechen, oder wenn ein:e Patient:in langsam wieder die Kontrolle über die eigenen Gedanken und Gefühle gewinnt oder wieder mehr Selbstvertrauen hat und an Aktivitäten teilnimmt, die zuvor noch undenkbar waren, oder wenn wir unsere Ziele erreichen, die wir zu Beginn der Betreuung gesetzt haben, oder wenn wir zusammen Strategien entwickelt haben, um schwierige Situationen zu meistern, oder wenn eine Person, die ich behandle, mir mitteilt, dass sie sich ihren Liebsten oder sich selbst wieder verbundener fühlt – all diese Momente geben mir das Gefühl, meine Aufgabe als hilfreiche:r und effektive:r Berater:in erfüllt zu haben.

Wie können Manager:innen und Führungskräfte deiner Meinung nach ein gesundes Arbeitsumfeld schaffen, in dem das mentale Wohlbefinden aller im Fokus steht? 

  • Indem sie offene Kommunikation fördern, sodass alle Angestellten das Gefühl haben über ihre mentale Gesundheit sprechen zu können, ohne dafür verurteilt zu werden. Führungskräfte müssen sich nahbar zeigen und die Bedürfnisse und Rückmeldungen ihrer Angestellten ernst nehmen.
  • Indem sie zeigen, dass ihnen die mentale Gesundheit ihrer Angestellten am Herzen liegt und selbst offen darüber sprechen. Führungskräfte dürfen sich verletzlich zeigen und, wenn sie möchten, ihre eigenen Erfahrungen teilen.
  • Indem sie Zugang zu mentaler Unterstützung wie Beratung, Workshops, Seminaren und Webinaren bieten und sicherstellen, dass alle Angestellten die verfügbaren Ressourcen kennen und wissen, wie sie sie vertraulich in Anspruch nehmen können.
  • Indem Richtlinien zur Förderung der mentalen Gesundheit entwickelt und umgesetzt werden. Dazu gehören flexible Arbeitsregelungen, bezahlte Mental-Health-Tage und Initiativen zur Stressbewältigung.
  • Indem sie durch realistische Erwartungen und das Vermeiden von Überstunden eine gesunde Work-Life-Balance fördern.
  • Indem sie Angestellten ein gewisses Maß an Kontrolle über ihre Terminpläne und Aufgaben geben. Mitarbeitende mit mehr Autonomie fühlen sich dazu ermutigt, ihren Arbeitsalltag so zu gestalten, dass ihre mentale Gesundheit nicht darunter leidet.
  • Indem sie Schulungen besuchen bzw. zur Verfügung gestellt bekommen, sodass erste Anzeichen psychischer Probleme erkannt und die Betroffenen entsprechend unterstützt werden können.
  • Indem die Leistungen und Beiträge aller Angestellten honoriert und wertgeschätzt werden. Ich habe schon oft von „Lob- und Kritikrunden“ in Team-Meetings gehört. Da frage ich mich: Warum nicht das Lob getrennt von der Kritik betrachten und einen Raum schaffen, der für gute Laune und Wertschätzung sorgt? Nicht jedes Lob muss an Verbesserungsvorschläge gekoppelt sein.
  • Indem regelmäßige Einzelgespräche mit Angestellten umgesetzt werden, in denen ihr Wohlbefinden, ihr Arbeitspensum und etwaige Herausforderungen besprochen werden.

See other resources

EN
DE