Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz

Warum ist mentale Gesundheit am Arbeitsplatz so wichtig und was genau können Arbeitgeber, Führungskräfte und Mitarbeitende selbst tun, um diese zu gestalten? Diese und mehr Fragen beantworten wir in diesem Artikel.

Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz

Das Stigma rund um die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren erfreulicherweise abgenommen. Das ist auch dringend nötig, denn Jahr für Jahr kämpfen mehr als 30 % der Erwerbstätigen in Deutschland mit psychischen Belastungen, die nicht selten ihren Ursprung im beruflichen Umfeld haben.

In einem Unternehmen mit etwa 300 Mitarbeitenden bedeutet das, dass rund 100 Personen von mentalen Herausforderungen betroffen sind – mit spürbaren Auswirkungen auf ihre Produktivität, Zufriedenheit, Kreativität und Motivation.

Wie du diese Menschen in deinem Team unterstützen kannst und warum sich Investitionen in die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz auch für euer Unternehmen lohnen, erfährst du im folgenden Artikel.

Warum ist mentale Gesundheit am Arbeitsplatz so wichtig 

Die Zeiten, in denen mentale Gesundheit ausschließlich als privates Thema betrachtet wurde, sind vorbei. Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig das psychische Wohlbefinden im betrieblichen Kontext ist, und integrieren es zunehmend in ihr betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) oder ihre Strategien zur Mitarbeiterbindung.

Die aktuellen Zahlen und Fakten von EU, Bund und Ländern zeigen klar, wie wichtig es ist, dass Unternehmen einen Beitrag leisten:

  • Verlust von 12 Milliarden Arbeitstagen pro Jahr
    Psychische Probleme werden die Wirtschaft bis 2030 weltweit rund $16 Billionen kosten, ein Großteil davon aufgrund des daraus resultierenden Produktivitätsverlusts.
  • Anteil der Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen nimmt zu
    17,5 Prozent aller Arbeitsunfälle gehen heute auf psychische Krankheiten zurück. Vor rund 25 Jahren lag dieser Anteil bei nur 2 Prozent.
  • Psychische Erkrankungen zweithäufigste Diagnose für Krankschreibungen
    Einzig Muskel- und Skelett-Erkrankungen führen als Diagnosegruppe zu mehr Krankschreibungen als psychische Störungen.
  • Psychisch bedingte Arbeitsausfälle dauern 3 Mal so lange.
    Im Schnitt dauern psychisch bedingte Krankheitsfälle 38,9 Tage, während das Mittel bei anderen Erkrankungen bei 13,2 Tagen liegt.

Die Zahlen verdeutlichen, wie schwerwiegend die Konsequenzen mentaler Probleme nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Umfeld sind.

Schätzungen zufolge entstehen deutschen Unternehmen durch psychisch bedingte Krankheitsausfälle jährlich Kosten von über 2.000 Euro pro Mitarbeiter:in. Hinzu kommen die steigende Fluktuation und der damit verbundene Produktivitätsverlust, die weitere finanzielle Belastungen mit sich bringen.

Wenn es euch als Unternehmen gelingt, auch nur einen Teil dieser Kosten zu vermeiden, haben sich Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit bereits gelohnt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht beim ROI von einem beeindruckenden Verhältnis von 1:4 aus:

Jeder Euro, den dein Unternehmen in die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden investiert, zahlt sich mit einem Produktivitätsgewinn von 4 Euro aus.

Wie Unternehmen von mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz profitieren

Abgesehen von den potenziellen Einsparungen bieten Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit im Job zahlreiche weitere Vorteile. Dazu gehören neben einer gesteigerten Produktivität der Mitarbeitenden auch:

  1. Eine höhere Mitarbeiterbindung
    Wer im Job zufriedener ist, bleibt auch länger im Unternehmen. Studien zeigen, dass rund 34 % aller Beschäftigten ihren letzten Job wegen mentaler Belastung kündigten.
  2. Eine attraktivere Arbeitgebermarke (Stichwort: Employer Branding)
    Mit einem guten Programm für mentale Gesundheit stärkst du nicht nur die Bindung deiner Mitarbeiter:innen, sondern bist auch als potenzieller Arbeitgeber für Bewerber:innen attraktiver.
  3. Eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit
    Wer sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, ist nicht nur selbst produktiver und motivierter, sondern sorgt auch dafür, dass sich andere wohler fühlen. Körperlich und mental gesunde Menschen bilden die Basis eines gesunden Unternehmens mit zufriedenen Mitarbeitenden.
  4. Mehr Resilienz
    Mentales Wohlbefinden erhöht die Resilienz der Mitarbeitenden und in Folge der Organisation als Ganzes, die sich damit für Krisenzeiten solider aufstellt.
  5. Mehr Kreativität
    Nur wer sich wohlfühlt und wem es gut geht, kann seine Kreativität voll ausschöpfen, und in Unternehmen gilt: ohne Kreativität keine Innovation.

Die wichtigsten Einfluss- bzw. Risikofaktoren für mentale Gesundheit im Unternehmen

Wenn dein Unternehmen die mentale Gesundheit fördern möchte, gibt es mehrere entscheidende Faktoren, die laut wissenschaftlichen Studien besonders wichtig sind:

  • Betriebsklima und Führung
    Während sich ein gutes Betriebsklima logischerweise positiv auf das mentale Wohlbefinden auswirkt, können zum Beispiel häufige Konflikte in Teams oder mit Führungskräften dazu führen, dass emotionaler Stress und Sorgen zunehmen.
  • Arbeitspensum des Einzelnen und im Team
    Hier sind wir bei den Themen Stress und Burnout. Wichtig ist dabei nicht die tatsächliche Arbeitsbelastung, sondern das Empfinden jeder und jedes Einzelnen. Was der oder dem einen machbar erscheint, überfordert andere vielleicht. Und Vorsicht: Auch zu wenig Arbeit ist nicht förderlich (Stichwort: Boreout).
  • Arbeitsplatz(un)sicherheit
    Wem oft mit Kündigung gedroht wird oder wer bei jedem zweiten Teammeeting zu hören bekommt, wie schlecht es um die Finanzen steht, wird sich unweigerlich Sorgen um seinen Job machen. Diese Unsicherheit kann lähmen oder dazu führen, dass die Menschen zu viel hineinstecken und im Burnout landen.
  • Gemeinschaftsgefühl und Kollegialität
    Der Mensch ist ein soziales Wesen. Daher spielt auch die Qualität der Beziehungen am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle. Wer sich im Team gut aufgehoben fühlt, ist kompromiss- und hilfsbereiter.
  • Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
    Als Unternehmen solltet ihr euch fragen, wie ihr euren Mitarbeitenden dabei helfen könnt, ihre privaten Termine und Verpflichtungen mit ihren beruflichen zu vereinen, zum Beispiel indem ihr flexible Arbeitszeitmodelle anbietet.
  • Handlungs- und Entscheidungsspielraum
    Ob es um die Arbeitszeit, den Arbeitsort oder die Arbeitsumgebung geht, in der Regel gilt: Je autonomer und flexibler eure Mitarbeitenden unterschiedliche Aspekte ihrer beruflichen Tätigkeit gestalten können, desto zufriedener sind sie.

Das Thema mentale Gesundheit am Arbeitsplatz ist, wie du siehst, vielseitig und am Ende auch sehr individuell. Mentales Wohlbefinden ist nichts Statisches: Unsere mentale Gesundheit verändert sich im Laufe des Lebens, wird stark von äußeren Umständen beeinflusst und braucht kontinuierliche Aufmerksamkeit. Genau wie bei der körperlichen Gesundheit musst du aktiv etwas dafür tun, um mental fit und gesund zu bleiben.

Zudem beeinflussen sich berufliche und private Aspekte im Alltag gegenseitig. Wenn du dich als Unternehmen also mit mentaler Gesundheit beschäftigst, kannst du private Herausforderungen nicht völlig ausklammern. Beziehe sie mit der nötigen Diskretion in deine Überlegungen ein.

Das Spektrum der mentalen Gesundheit

Wenn wir von mentaler Gesundheit sprechen, geht es nicht nur um “glücklich” vs. “psychisch krank”. Wir sprechen vielmehr über ein Spektrum. Die Übergänge dazwischen sind individuell und fließend:

Spektrum mentale gesundheit

Auf diesem Spektrum bewegen wir uns ständig – mal geht es uns besser, mal schlechter. Das ist ganz normal. Umso wichtiger ist es, als Unternehmen vielfältige Maßnahmen anzubieten, die alle in ihrer jeweiligen Lebenslage abholen und bestmöglich unterstützen.

Konkret heißt das:

  • Vorbeugen und fördern: solange es gut geht
  • Unterstützen: wenn in einem bestimmten Bereich Hilfe benötigt wird
  • Behandeln: sobald eine Intervention notwendig wird
  • Aufrechterhalten: nachdem ein positives Befinden wiederhergestellt wurde
Spektrum mentale gesundheit

In einem Unternehmen gehört zum mentalen Wohlbefinden auch das persönliche Wachstum. Vor allem für Top-Performer:innen ist das Thema besonders wichtig: Sie wollen kein Training aus dem Katalog, sondern wünschen sich vielmehr individuelle Unterstützung. Hier kann ein Programm zur Förderung der mentalen Gesundheit greifen, indem es zum Beispiel ein persönliches Coaching ermöglicht.

Das können Unternehmen tun

Was Arbeitgeber:innen für die mentale Gesundheit im Betrieb tun müssen

Unternehmen in Deutschland sind laut Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) dazu verpflichtet, sich explizit auch um die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu kümmern:

„(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der […] Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. […] (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, […] 6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

ArbSchG: § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Abgesehen von den vielen Vorteilen mentaler Gesundheit im Job ist es also eure Pflicht als Arbeitgeber, euch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bevor ihr jedoch mit konkreten Maßnahmen startet, empfiehlt es sich, ein wenig Vorarbeit zu leisten.

In 5 Schritten zum passenden Programm für mentales Wohlbefinden am Arbeitsplatz

Da nicht nur jeder Mensch, sondern auch jedes Unternehmen anders ist, sind Programme für mentales Wohlbefinden individuell. Um die passenden Maßnahmen und Aktivitäten für dein Unternehmen zu finden, empfehlen wir fünf Schritte:

  1. Status quo erfassen
    Ein guter Startpunkt kann eine Umfrage unter den Mitarbeiter:innen sein.
  2. Strategie und Ziele ableiten
    Sammelt die Bereiche mit Verbesserungspotenzial und überlegt im Team, was ihr mit eurem Programm konkret erreichen möchtet und wie ihr am Ende feststellen könnt, ob ihr diese Ziele auch erreicht habt.
  3. Passende Maßnahmen definieren
    Die Liste der möglichen Aktivitäten und Angebote im Unternehmen ist scheinbar endlos. Beginnt daher mit einer kleinen Auswahl und wechselt, falls ihr merkt, dass das eine oder andere nicht so gut ankommt.
  4. Geeignete Tools und Partner heranziehen
    Im Vergleich zum klassischen Employee Assistance Program (EAP) bieten Plattformen wie nilo einen guten Mix unterschiedlicher Aktivitäten, um all eure Mitarbeitenden mit ihrem mentalen Wohlbefinden dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden.
  5. Erfolge messen und Programm optimieren
    Messt regelmäßig, ob ihr den Zielen, die ihr in eurer Strategie festgelegt habt, auch tatsächlich näher kommt und ändert bei Bedarf die Richtung. 

Die Unternehmenskultur als Basis für mentales Wohlbefinden am Arbeitsplatz

Damit sich eure Mitarbeitenden mental wohlfühlen, braucht es eine solide Grundlage – und die bildet eure Unternehmenskultur

Wichtige Eckpfeiler solch einer Unternehmenskultur sind:

  • Handlungs- und Entscheidungsspielräume
  • Realistisches Arbeitspensum
  • Wertschätzung im Miteinander über Abteilungen und Hierarchien hinweg
  • Offener Dialog zu Themen wie psychische Gesundheit 
  • Gemeinsames Konfliktmanagement
  • Angemessene Arbeitszeiten
  • Arbeitsplatzsicherheit
  • Raum für persönliche und berufliche Weiterentwicklung
  • Kommunikations- und Feedbackkultur
  • Gezielte Förderung eurer Führungskräfte zum Thema mentale Gesundheit

Doch nicht nur ihr als Arbeitgebende müsst etwas tun. Auch eure Führungskräfte und die Mitarbeitenden selbst müssen aktiv werden.

Das können Führungskräfte tun

Eure Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, das mentalen Gesundheit in eurem Unternehmen zu etablieren und erfolgreich zu machen. 

Es sind die Führungskräfte, die gewünschtes Verhalten vorleben, eure Unternehmenskultur Realität werden lassen und gleichzeitig ein Auge auf das mentale Wohlbefinden ihrer Teammitglieder haben.

So schaffen eure Führungskräfte die Basis für mentales Wohlbefinden im Team

Mit gutem Beispiel vorangehen und „achtsam führen“ heißt für Führungskräfte zum Beispiel:

  • Work-Life-Balance für sich selbst und andere schaffen (zum Beispiel, indem du darauf achtest, jemandem im Urlaub keine E-Mails zu senden, sondern das Senden für nach dem Urlaub planst)
  • Über die eigene mentale Gesundheit sprechen und mentale Gesundheit aus der Tabu-Ecke holen
  • Regelmäßig das Gespräch mit Mitarbeitenden suchen, fragen wie es ihnen wirklich geht und bei Bedarf aktiv Unterstützung anbieten
  • Druck nehmen, indem Ziele und Deadlines gemeinsam und realistisch gesetzt und bei Bedarf angepasst werden
  • Ziele, Erwartungen sowie Arbeitsaufträge möglichst klar und transparent kommunizieren
  • Individuelle Wünsche und Bedürfnisse einbeziehen und berücksichtigen
  • Wertschätzung immer wieder klar kommunizieren und zeigen
  • Teams regelmäßig zum lockeren Austausch oder zu gemeinsamen Aktivitäten zusammenbringen (bei Bedarf virtuell)

Das können Mitarbeitende selbst tun

So schaffen Mitarbeitende die Basis für mentale Gesundheit im Job

Es ist wichtig zu verstehen, dass Mitarbeitende auch selbst Verantwortung für ihre mentale Gesundheit tragen – schließlich wissen sie am besten, wie es ihnen geht und was sie brauchen. Deshalb ist es entscheidend, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und klar zu kommunizieren.

Hier sind 7 Tipps zur Selbstfürsorge:

  1. Auf Grundbedürfnisse wie Schlaf, Ernährung und Bewegung achten.
  2. Regelmäßig Pausen machen und Erholung einplanen.
  3. Klare Grenzen zwischen Arbeit und Erholung/Freizeit setzen.
  4. Kleine, wohltuende Rituale in den Alltag integrieren.
  5. Soziale Kontakte pflegen und den Austausch suchen.
  6. Zeit für Entspannung und Achtsamkeit nehmen.
  7. Regelmäßig reflektieren, wie es einem geht, und Routinen und Gewohnheiten anpassen.

Es kann auch hilfreich sein, sich regelmäßig mit einem Coach oder einer Psycholog:in auszutauschen – und dafür muss es einem nicht erst richtig schlecht gehen. Ein präventiver Austausch stärkt die mentale Gesundheit, hilft beim Aufbau von Resilienz und ermöglicht es, frühzeitig Lösungen für aufkommende Herausforderungen zu finden.

Welche Tools und Rahmenbedingungen können Mitarbeitende unterstützen

Damit Mitarbeitende sich selbst um ihr mentales Wohlbefinden kümmern können, benötigen sie nicht nur ein Umfeld, in dem die entsprechenden Aktivitäten einen Platz haben (Stichwort: Unternehmenskultur, siehe oben), sondern auch konkrete Ansprechpartner:innen und passende Tools wie:

  • Kurse und Inhalte zu Themen wie Resilienz und Stress am Arbeitsplatz
  • Coaching-, Beratungs- und Unterstützungsangebote in Krisen sowie für alle, die ihr mentales Wohlbefinden verbessern oder daran arbeiten möchten
  • Mitarbeitergespräche, in denen Mitarbeitende Feedback geben und nach ihrer Meinung gefragt werden
  • Achtsamkeitsübungen und -kurse (z. B. digitale Achtsamkeit gegen die alltägliche digitale Reizüberflutung)
  • Gemütliche Pausenräume, in denen sich Mitarbeitende treffen, austauschen und auch mal abschalten können
  • Interne Kampagnen zum Thema Gesundheit: mental wie körperlich

Fazit ist: Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz geht uns alle an. Ein erfolgreiches Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit bezieht alle ein und bietet flexible Maßnahmen, die uns dort abholen, wo wir mit unserem mentalen Wohlbefinden gerade stehen.

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